Flora und Vegetation von Steinbrüchen

Die Anlage einer Abbaustätte in der Landschaft war und ist immer mit der Beseitigung des ursprünglich vorhandenen Bewuchses verbunden und stellt damit einen massiven Eingriff in das natürliche Vegetationsgefüge der Umgebung dar.

Im Zustand des aktiven Abbaus, wie er hier dargestellt wird, ist ein Steinbruch ein weitgehend vegetationsfreier, ja sogar ein vegetationsfeindlicher Standort. Bei seiner Anlage wurden nicht nur der Bewuchs, sondern auch die vorhandenen Bodenschichten abgetragen, die eine unabdingbare Grundlage für die natürliche Vegetationsentfaltung darstellen. Stattdessen prägen eine senkrechte kahle Felswand, offene Geröllhalden und ein durch Arbeiter und Baufahrzeuge verfestigter Untergrund das Erscheinungsbild. Die Sukzession, d.h. die natürliche Wiederbesiedlung durch Pflanzen, kommt daher erst mit dem Ende der Abbautätigkeit allmählich wieder in Gang und verläuft je nach den Standortbedingungen ganz unterschiedlich. Während sich die Sohle des Steinbruchs meist rasch wieder begrünt, geht es an den extremen Standorten, wo es lange Zeit an Bodensubstrat und Wasser fehlt, meist nur sehr langsam voran.

Dies trifft vor allem auf die steile Abbruchkante zu, wo sich erst über Jahrzehnte unter dem Einfluss von Frost und Regen in Klüften, Spalten und Simsen das Gesteinsmaterial langsam zersetzt und dadurch beispielsweise den sehr licht- und wärmebedürftigen Felsgrusgesellschaften die Ansiedlung ermöglicht. Ihre Kennarten sind genügsame, anspruchslose Spezialisten, die sich in der offenen Landschaft kaum gegen andere Gräser und Kräuter durchzusetzen können. Hierzu zählen vor allem Mauerpfeffer-Arten der Gattung Sedum (u.a. Sedum album, S. acre), zu denen auch unsere Haus- oder Dachwurz (S. sempervivum) zählt. Sie können sich hier neben Flechten und Moosen punktuell ansiedeln, da sie nur wenig Humus brauchen und das nur zeitweise verfügbare Wasser in ihren verdickten Blättern speichern können. Mit fortschreitender Bodenbildung entwickeln sich aus solchen lückigen Pionierstadien mitunter artenreiche Trockenrasen, allerdings nur, solange die Felswand nicht beschattet wird. Denn bereits jetzt versuchen Rank- und Kletterpflanzen wie Brombeere, Waldrebe oder Efeu vom Rand des Steinbruchs aus, ihre langen Triebe in die Steilwand zu treiben, um von dem dort überreich vorhandenen Licht- und Wärmeangebot zu profitieren. Will man die Trockenrasenelemente erhalten, muss die Felswand dauerhaft freigehalten werden.

Vegetationsentwicklung

Auf den im Randbereich der Grube liegenden Stein- und Geröllhalden verläuft die Vegetationsentwicklung meist etwas rascher. Durch Wind und Regen werden Staub, und organische Substanz, wie Herbstlaub eingetragen und dadurch für raschere Humusbildung gesorgt. Solange Licht und Wärme noch reichlich vorhanden sind, siedeln sich hier bevorzugt die Arten der nährstoffliebenden Krautfluren und wärmeliebenden Säume, wie beispielsweise Steinklee (Melilotus albus, M. officinalis) Wilde Möhre (Daucus carota), Bitterkraut (Picris hieracioides) oder Ruprechtskraut (Geranium robertianum) an. Typisch ist auch die Ausbreitung von Brombeeren (Rubus fruticosus, R. caesius), die rasch ein dichtes Gestrüpp bilden können.

Der Boden oder die Sohle des Steinbruchs ist dagegen von Anfang an durch ein höheres Feuchtangebot gekennzeichnet, dass die Wiederbegrünung deutlich erleichtert. Eine typische Pionierpflanze auf diesem Standort ist beispielsweise der im zeitigen Frühjahr gelbblühende Huflattich (Tussilago fafara), der außerdem mit der anfangs noch anhaltenden Bodenverdichtung gut zurechtkommt. Daneben stellen sich hier verschiedene robuste Arten der Stickstoff-Krautfluren sowie der nährstoffreichen Saumvegetation meist sehr rasch ein. Außerdem können die geflügelten Samen von windverbreiteten Baumarten, wie Kiefer und Ahorn hier in großer Zahl aus der Umgebung eingetragen werden. Wenn diese bereits im Anfangsstadium der Wiederbesiedlung Fuß fassen, hat das einen entscheidenden Einfluss auf die Sukzession in einem aufgelassenen Steinbruch. Mit dem Gehölzaufwuchs ändern sich innerhalb weniger Jahrzehnte die Wachstumsbedingungen im Steinbruch von hell-trocken-warm zu schattig-feucht-kühl. Nach und nach verschwindet dann die sonnen- und wärmebedürftige Pionier-Vegetation und macht Wald- und Gebüsch-Arten Platz.

Stadien

Alle diese unterschiedlichen Stadien der Vegetations-Entwicklung in aufgelassen Steinbrüchen kann man an zahlreichen Standorten in der Flonheimer Gemarkung studieren. In einigen Fällen zeigen sie, dass sich solche Abbaustätten, die einst als „Wunden“ in der Landschaft empfunden wurden, zu ökologisch wertvollen Sekundärstandorten für seltene Pflanzenarten und Vegetations-Elemente in unserer kulturgeprägten Landschaft werden können. Mit ihrer kleinräumigen Verzahnung unterschiedlicher Teillebensräume (Rand, Bruchwand, Geröllhalde, Sohle) stellen sie einen abwechslungsreichen Lebensraum dar. Solange sie nicht wieder vom Wald vereinnahmt werden, haben sie mit ihrem trocken-warmen Standortcharakter darüber hinaus eine wichtige Funktion als Trittstein- und Verbundbiotop für die gefährdete Trockenvegetation im nahegelegenen Naturschutzgebiet „Aulheimer Tälchen“.

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